Aktuell *Ost Über Uns Archiv Impressum English




Kommentar von Redaktionsbuero Ost

Surreal und dekonstruktiv

Libeskind soll Dalí-Museum in Prag bauen

Prag kann wunderschön sein und ist es freilich vor allem wegen seiner Architektur. Die haben dort durch alle Jahrhunderte hindurch die Doyens dieses Fachs geschaffen. Man denke etwa an Fischer von Erlach, die Dientzenhofers, Adolf Loos (Haus Müller) oder Frank O. Gehry. Letzterer verewigte sich 1994 mit seinem tanzenden "Ginger and Fred" -Haus, ein dekonstruktivistisches Stadtgebäude an der Uferpromenade der Moldau. Heiß umstritten war dieses Projekt...

Das dürfte aller Voraussicht auch bei einem anderen Bauvorhaben nicht anders sein. Denn in Kürze soll in der tschechischen Metropole wieder ein weltbekannter „Dekonstruktivist“ ans Werk gehen, nämlich kein Geringer als der in Polen geborene US-Stararchitekt Daniel Libeskind (Jahrgang 1946).
Der Autor des Jüdischen Museums in Berlin, der sich bekanntlich auch für die neue Bebauung des World Trade Center-9/11-Lochs in New York verantwortlich zeichnen wird, soll ein Salvador-Dalí-Museum bauen.
Ein Modell präsentierte Libeskind am 11. Mai, dem 100. Geburtstag Dalís. Neben Ausstellungsräumen wird der Komplex Gästewohnungen für Künstler, ein Theater, sowie ein „surrealistisches Restaurant“ beherbergen. Kernstück soll eine Sammlung mit 1.500 Werken des spanischen Surrealisten sein, die aus Spanien, Frankreich und Deutschland zusammengetragen werden wird.
Klingt derweil mehr nach einer Mischung aus Disney-World und Ibizza-Töpferkurs, doch der Initiator dieses spektakulären Vorhabens, der tschechische Galerist Miro Smolák (52), ist optimistisch, erfüllt der sich schließlich damit einen „Lebenstraum“. Das Museum, so Smolák, solle dem Einfluss Dalís auf die tschechische Kunst Rechnung tragen, denn in keinem anderen Land habe der Surrealismus einen so großen Einfluss gehabt. Dalí habe angeblich nur einem Künstler jemals Modell gestanden, so Smolák, nämlich dem tschechischen Künstler Josef Nalepa. Wenn das Museum genehmigt werde, rechnet Smolák 2007 mit der Fertigstellung. Finanziert soll das eher kleine bis mittelgroße Museum, das zwischen neun bis 12,5 Millionen Euro kosten wird, durch Privatinvestoren.
Dass Smolák sich so engagiert, finden einige Prager gar nicht spannend, denn Smolák gilt in der Szene als geschäftstüchtiger Kunstunternehmer, der nicht nur mit erstklassiger Ware dealt. Sein Ressort sind die Klassiker der Moderne von Picasso, Chagall, Braque bis eben Dalí, die er in der Miro-Galerie in Prag verzockt (Kirche Hl. St. Rochus). Dabei schrammt der Galerist zuweilen hart an der Grenze eines vermeintlichen Massen-Kunstgeschmacks, manchmal auch darunter. Der stets schwarz bebrillte Libeskind gibt sich dennoch hochinspiriert: „Ich habe eine Idee davon, wie sich dieses Gebäude auf die Schönheit und die Geschichte Prags beziehen soll. Eines meiner Reiseziele war sozusagen mit eigenen Händen die Pflastersteine Prags zu berühren, um direkt mit dem Geist der Stadt in Kontakt treten zu können.“ Hoffen wir, dass es kein böser war.



erschienen in Kunstzeitung Nr.93/Mai 04,S.11